Schultheaterstück „Rapunzel“
(ein Märchen von Brüder Grimm)
Rapunzel
Mann
Frau
Zauberin Frau Gothel
Rapunzel
Prinz
Es war einmal ein Mann und
eine Frau, die wünschten sich schon lange vergeblich ein Kind, endlich machte
sich die Frau Hoffnung der liebe Gott werde ihren Wunsch erfüllen.
Die
Leute hatten in ihrem Hinterhaus ein kleines Fenster, daraus konnte man in
einen prächtigen Garten sehen, der voll der schönsten Blumen und Kräuter stand;
er war aber von einer hohen Mauer umgeben, und niemand wagte hinein zu gehen,
weil er einer Zauberin gehörte, die große Macht hatte, und von aller Welt
gefürchtet wurde.
Eines Tags stand die Frau an
diesem Fenster und sah in den Garten hinab, da erblickte sie ein Beet, das mit
den schönsten Rapunzeln bepflanzt war: und sie sahen so frisch und grün aus,
daß sie lüstern ward und das größte Verlangen empfand von den Rapunzeln zu
essen. Das Verlangen nahm jeden Tag zu, und da sie wußte, daß sie keine davon
bekommen konnte, so fiel sie ganz ab, sah blaß und elend aus.
Frau (sieht aus dem Fenster): Ach, wie schön grün und frisch sind die Rapunzeln in dem
Garten der Zauberin! Sie sind so lecker! Aber man darf sie nicht pflücken. Sie
gehören der mächtigen Zauberin, vor der die ganze Welt fürchtet!
(Frau ist ganz blaß)
Mann: Was fehlt dir, liebe Frau?
Frau: Ach, wenn ich keine Rapunzeln aus dem Garten der Zauberin zu essen
kriege, so sterbe ich.
Mann (erschreckend): Ich lasse meine Frau nicht sterben! Ich hole Rapunzel
aus dem Garten der Zauberin!
In der Abenddämmerung stieg
er also über die Mauer in den Garten der Zauberin, stach in aller Eile eine
Hand voll Rapunzeln und brachte sie seiner Frau.
Mann: Hier, nimm meine Liebe, die besten Rapunzeln!
Frau: Oh, ich mache gleich Salat daraus!
Und aß sie in voller Begierde
auf.
Zauberin erfuhr es und kommt
zu der Paar.
Zauberin(dem Mann):
Wie kannst du es wagen?! In meinen
Garten zu steigen und wie ein Dieb mir meine Rapunzeln zu klauen? Das soll dir
schlecht bekommen!
Mann: Ach, laß bitte meine Frau in
Ruhe. Ich habe mich nur aus Not dazu entschlossen. Meine Frau hat Ihre
Rapunzeln aus dem Fenster erblickt, und hatte so ein großes Gelüsten, daß sie sterben würde,
wenn sie nicht davon isst.
Da ließ die Zauberin in ihrem
Zorne nach
Zauberin: Ich will dir gestatten
Rapunzeln mitzunehmen, so viel du
willst. Aber ich mache eine Bedingung: du mußt mir das Kind
geben, das deine Frau zur Welt bringen wird. Es soll ihm gut gehen, und ich
will für es sorgen wie eine Mutter.
Der Mann sagte in der Angst
alles zu, und als die Frau in Wochen kam, so erschien sogleich die Zauberin,
gab dem Kinde den Namen Rapunzel und nahm es mit sich fort.
Zauberin (holt das Kind): Du wirst Rapunzel heißen!
Rapunzel ward das schönste
Kind unter der Sonne. Als es zwölf Jahre alt war, schloß es die Zauberin in einen
Thurm, der in einem Walde lag, und weder Treppe noch Türe hatte, nur ganz oben
war ein kleines Fensterchen. Rapunzel singt im Fenster.
Wenn die Zauberin hinein wollte, so stellte
sie sich unten hin, und rief
Zauberin: Rapunzel, Rapunzel, laß mir dein Haar herunter!
Rapunzel hatte lange
prächtige Haare, fein wie gesponnen Gold. Wenn sie nun die Stimme der Zauberin
vernahm, so band sie ihre Zöpfe los, wickelte sie oben um einen Fensterhaken,
und dann fielen die Haare zwanzig Ellen tief herunter, und die Zauberin stieg
daran hinauf.
Zauberin: Rapunzel, Rapunzel, laß mir dein Haar herunter!
Und ging weg in den Wald.
Rapunzel singt im Fenster.
Der Sohn des Königs durch den
Wald ritt und an dem Thurm vorüber kam. Da hörte er einen Gesang, der war so
lieblich, daß er still hielt und horchte. Das war Rapunzel, die in ihrer
Einsamkeit sich die Zeit damit vertrieb, ihre süße Stimme erschallen zu lassen.
Der Königssohn wollte zu ihr hinauf steigen und suchte nach einer Türe des Turms,
aber es war keine zu finden. Er ritt heim, doch der Gesang hatte ihm so sehr
das Herz gerührt, daß er jeden Tag hinaus in den Wald ging und zuhörte. Als er
einmal so hinter einem Baum stand, sah er daß eine Zauberin heran kam und hörte
wie sie hinauf rief
Zauberin: Rapunzel, Rapunzel, laß mir dein Haar herunter!
Da
ließ Rapunzel die Haarflechten herab, und die Zauberin stieg zu ihr hinauf.
Prinz: Ist das die Leiter, auf welcher man hinauf kommt? So will ich auch
einmal mein Glück versuchen.
Und
den folgenden Tag, als es anfing dunkel zu werden, ging er zu dem Turme und
rief
Prinz: Rapunzel, Rapunzel, laß mir dein Haar herunter!
Alsbald fielen die Haare
herab und der Königssohn stieg hinauf.
Rapunzel (erschreckend): Wer bist du denn? Woher kommst du?
Prinz: Ich bin der Königssohn. Ich war im Wald und hörte ein wunderschöner
Gesang. Ich konnte nicht vorbeigehen, mein Herz war betroffen. Ich musste
sehen, wer so schön singt.
Da verlor Rapunzel ihre Angst.
Prinz: Du bist so schön und gutherzig. Ich weiß, dass ich ohne dich nicht
leben konnte. Willst du meine Frau werden?
Rapunzel: Ach, ja, mein Prinz! Ich war
so viele Jahre in diesem Turm gesperrt und ich habe so lange der
Zauberin gedient. So kann nicht das mein
ganzes Leben dauern! Ich will gerne mit dir gehen, aber ich weiß nicht wie ich
herab kommen kann?
Und legte ihre Hand in seine
Hand.
Prinz: Ich habe eine Idee. Wenn ich wieder komme, bringe
ich einen Strang Seide mit. Du flechtest eine Leiter.
Rapunzel: Ja, und
ich steige herunter und du nimmst mich
auf dein Pferd!
Zusammen:
Abgemacht!
Zauberin: Rapunzel, Rapunzel, laß mir dein Haar herunter!
Rapunzel: Meine
Zauberin, ich habe dir was zu sagen. Der junge Königssohn will mich heiraten,
und ich möchte es auch. Lass mich frei!
Zauberin (im
Zorn): Ach du gottloses Kind! Was muß
ich von dir hören?! Ich dachte, ich hätte dich von aller Welt geschieden. Und
du hast mich doch betrogen!
In ihrem Zorne packte sie die
schönen Haare der Rapunzel, schlug sie ein paar Mal um ihre linke Hand, griff
eine Scheere mit der rechten, und ritsch, ratsch, warm sie abgeschnitten, und
die schönen Flechten lagen auf der Erde. Und sie war so unbarmherzig, daß sie
die arme Rapunzel in eine Wüstenei brachte, wo sie in großem Jammer und Elend
leben mußte.
Denselben Tag aber, wo sie
Rapunzel verstoßen hatte, machte Abends die Zauberin die abgeschnittenen
Flechten oben am Fensterhaken fest
Prinz: Rapunzel, Rapunzel, laß dein
Haar herunter!
So ließ Zauberin die Haare hinab. Der Königssohn stieg hinauf, aber er fand
oben nicht seine liebste Rapunzel, sondern die Zauberin, die ihn mit bösen und
giftigen Blicken ansah.
Zauberin : Aha, du willst die Frau Liebste holen, aber der schöne Vogel
sitzt nicht mehr im Nest und singt nicht mehr, die Katze hat ihn geholt und
wird dir auch noch die Augen auskratzen. Für dich ist Rapunzel verloren, du wirst
sie nie wieder sehen.
Prinz (vor Schmerz): Aua!!!!
Meine Augen! Ich sehe nichts!
Der
Königssohn geriet außer sich vor Schmerz, und in der Verzweiflung sprang er den
Turm herab: das Leben brachte er davon, aber die Dornen, in die er fiel,
zerstachen ihm die Augen. Da irrte er blind im Walde umher, aß nichts als
Wurzeln und Beeren, und that nichts als jammern und weinen über den Verlust
seiner liebsten Frau. So wanderte er einige Jahre im Elend umher und gerieth endlich
in die Wüstenei, wo Rapunzel lebte.
Rapunzel singt und der Prinz
hört ihre Stimme.
Er vernahm eine Stimme, und sie däuchte ihn so bekannt: da gieng er darauf
zu, und wie er heran kam, erkannte ihn Rapunzel und fiel ihm um den Hals und
weinte. Zwei von ihren Tränen aber benetzten seine Augen, da wurden sie wieder
klar, und er konnte damit sehen wie sonst.
Prinz: Ich kenne
diese Stimme. Oh, meine liebste Rapunzel!
Rapunzel: Mein
Prinz!
Er führte sie in sein Reich, wo er
mit Freude empfangen ward, und sie lebten noch lange glücklich und vergnügt.
Das Lied
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